Kolumne: Mitten aus der Großstadt

  • Berlin
  • Kanton
  • Peking
  • Shanghai
Hier finden Sie Trends, Meinungen und Kurioses aus deutschen und chinesischen Metropolen.

Geschlossene Gesellschaft: Fotografie in der DDR

Uwe Warnke, Foto: Peter Thieme
Bildergalerie „Geschlossene Gesellschaft“


Das Kino ist voll besetzt, gebannt starren die Menschen auf die Leinwand. Ihre Augen sind von übergroßen 3D-Brillen verdeckt. Nur in der ersten Reihe ist ein junger Mann aufgesprungen, die Brille hat er sich vom Gesicht gerissen, die Hände hält er an den Mund, um seinen lauten Schrei zu verstärken. Gemacht hat dieses Foto Matthias Leupold im Jahr 1983 in Ost-Berlin. Zu sehen ist es in der Ausstellung Geschlossene Gesellschaft, die sich der künstlerischen Fotografie in der DDR zwischen 1949 und 1989 widmet und noch bis zum 28. Januar in der Berlinischen Galerie zu sehen ist.

Mit mehr als zwanzig Jahren Abstand vermittelt die Schau erstmals einen Überblick über das künstlerische Schaffen von Fotografen in der DDR. Gegliedert ist sie in drei Kapitel, von denen sich das erste der sozial engagierten Fotografie widmet. Hier sieht man etwa eine junge Frau an einer Stanze arbeiten, die so gar nicht nach Heldin der Arbeit aussieht. Die zweite Sektion befasst sich mit formal experimenteller Fotografie, die an die Bildsprache der Moderne in den 20er-Jahren anknüpft, die in der DDR als L’art pour l’art lange verpönt war. Die großflächigen Portraits von Lutz Dammbeck gehören dazu, der Teile verschiedener Portraits kombiniert und mit grober Nadel zusammengenäht hat. Im dritten Kapitel unter dem Titel Medium-Subjekt-Reflexion tritt der Fotograf dann selbst mehr in den Vordergrund und macht sich und die subkulturelle Szene, zu der er gehört, zum Thema. In diesem Teil der Ausstellung sind das eingangs beschriebene Motiv zu sehen, aber auch die Portraits von Sven Marquard, der das hedonistische Lebensgefühl in Szene setzte.

Die Ausstellung ist durch ein Team von vier Kuratoren entstanden. Einer von ihnen ist der Schriftsteller und Verleger Uwe Warnke. Er gibt seit 1982 die in der DDR illegale Zeitschrift Entwerter/Oder heraus, die sich in mehreren Sonderausgaben schon vor 1989 der Fotografie widmete.

Uwe Warnke:

Uwe Warnke, Foto: Peter Thieme „Wir haben eineinhalb Jahre an der Konzeption der Ausstellung gearbeitet. Uns ging es darum, künstlerische Fotografie zu zeigen, die nur etwas fünf Prozent des gesamten Spektrums der Fotografie ausmacht. Journalistische Arbeiten fielen damit ebenso raus wie etwa Modefotografie. So sind wir auf 34 Fotografen gekommen, deren Lebenswerk wir würdigen wollen.

Die Ausstellung zeigt Kunst IN der DDR, nicht Kunst DER DRR. Staatskunst findet man dort also nicht. Es ist jedoch auch nicht so, dass die Bilder bis 1989 alle im Giftschrank lagen: Bei kleinen, selbstorganisierten Schauen waren viele von Ihnen auch damals schon zu sehen.

Zwei Drittel der Fotos stammen aus dem Bestand der Berlinischen Galerie. Der Leiter fotografischen Abteilung der Galerie, Ulrich Domröse, hat schon in den 1980er Jahren Fotografien aus der DDR zusammengetragen. Mit über 1.500 Werken besitzt die Galerie heute eine der größten Sammlungen auf diesem Gebiet weltweit.“
Text: Juliane Wiedemeier
Freie Journalistin, Berlin
Januar 2013
Links zum Thema
del.icio.us
Mister Wong
Socializer
TopTop